3. Sonntag Jahreskreis

3. Sonntag Jahreskreis

Lesung aus dem Buch Jona.

Das Wort des Herrn erging an Jona: Mach dich auf den Weg und geh nach Nínive, der großen Stadt, und rufe ihr all das zu, was ich dir sagen werde! Jona machte sich auf den Weg und ging nach Nínive, wie der Herr es ihm befohlen hatte. Nínive war eine große Stadt vor Gott; man brauchte drei Tage, um sie zu durchqueren.
Jona begann, in die Stadt hineinzugehen; er ging einen Tag lang und rief: Noch vierzig Tage und Nínive ist zerstört! Und die Leute von Nínive glaubten Gott. Sie riefen ein Fasten aus und alle, Groß und Klein, zogen Bußgewänder an. Und Gott sah ihr Verhalten; er sah, dass sie umkehrten und sich von ihren bösen Taten abwandten. Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er tat es nicht.

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth.

Ich sage euch, Brüder: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine, wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht.

Evangelium

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus.

Nachdem Johannes der Täufer ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium! Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihre Netze auswarfen; sie waren nämlich Fischer.
Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Und sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sogleich rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.

Predigt

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

„er rief sie und sogleich folgten sie ihm nach.“ So lässt sich die Berufungserzählung des heutigen Sonntags zusammenfassen. Es ist eine relativ „schlanke“ Erzählung nach dem Vorbild der Schöpfungsgeschichte – Gott sprach und sogleich geschah es.

Entweder man akzeptiert, dass es dem Autor Markus nur um den Hinweis ging, wer Jesus ist, oder man akzeptiert das nicht und fängt an, sich diese Berufungsszene vorzustellen – mit all den Problemen, die sich daraus ergeben. Man stelle sich vor: Ein Handwerker aus Nazareth geht an einem Seeufer entlang und fordert 4 Fischer auf, ihm nachzufolgen. Und sie tun es, ohne zurückzublicken. Wie wahrscheinlich ist das denn?

Und hier beginnen dann die Spekulationen – über Jesu Ausstrahlung und Charisma – über die Sehnsucht der vier nach einem anderen Leben – über die Verheißung Jesu („Menschenfischer“) und dessen Kraft – über die inneren existenziellen Nöte, die die Jünger wohl zu überwinden hatten: Wer lässt schon seine Familie zurück bzw. stürzt diese in existentielle Nöte durch den Verlust der Arbeitsleistung, um einem Unbekannten zu folgen?

All diese Spekulationen sind interessant, berühren sie doch ein zentrales Thema des Christentums – Berufung.

Es handelt sich dabei um das erste große neue Thema, das Jesus für sein Wirken und für seine Kirche setzt. Denn zum Volk der Israeliten gehörte man qua Geburt. Zwar gab es einzelne Personen, die zum Judentum konvertierten, aber diese blieben gläubig gewordene Heiden. Das gleiche galt für das Priestertum des alten Bundes – man wurde darin hineingeboren, nicht berufen. Spinnt man diesen Gedanken einen Schritt weiter, heißt das: Man erbt das Reich Gottes nicht mehr, sondern man wird dafür von Gott erwählt. Um diesem verstörenden Gedanken die Bedrohlichkeit zu nehmen, schiebt man meistens gleich den Gedanken hinterher, dass Gott ja alle Menschen liebt (1 Tim 2,4), auch um die volkskirchliche Praxis abzusichern, dass die christliche Taufe meist nicht eine Entscheidung darstellt, sondern eher „ererbt“ wird.

Nachdem die Bedrohlichkeit des Gedankens eliminiert wurde, findet man das Thema „Berufung“ daher meistens nur noch im Hinblick auf kirchliche Berufe, v.a. bei Priester- und Ordensberufungen.

Aber auch in diesem Betrachtungsfeld bleibt es ein schwieriges Thema. Stellen Sie sich z.B. vor: Jemand stellt sich vor Sie hin und ruft: „Ich bin von Gott auserwählt!“

Wie wäre Ihre Reaktion?

Seien Sie ehrlich zu sich selbst! Denn ich behaupte: 80 % würden antworten: „Ach so“ und im Geheimen denken: „Rufe bitte jemand in Haar an!“

Falls Ihnen das zu pessimistisch ist, hier noch ein anderes Beispiel: Stellen Sie sich vor, dass Ihre 18 jährige Tochter – ihr einziges Kind – zu Ihnen kommt und Ihnen eröffnet, Ihr Leben Christus in einem Kloster weihen zu wollen. Wie wäre Ihre Reaktion?

„Wirf dein Leben nicht weg!“ „Das verbiete ich Dir.“ „Wenn du das tust, bist du nicht mehr meine Tochter.“

Ich denke, es wird sich kaum jemand finden, der sagen würde: „Herzlichen Glückwunsch! Das freut mich aber, dass du zu Christus gefunden hast = dass Christus dich erwählt hat.“

„Berufung – Wirf dein Leben nicht weg“: Das ist wohl der härteste Zusammenhang, bei den geschilderten Reaktionen. Dahinter steht der beunruhigende Gedanke: Wer Christus nachfolgt, verschwendet sein Leben. Der Gedanke ist aus meiner Sicht verbreiteter, als man meint. Heute wird er noch verstärkt mit einem Zerrbild, das aus den Missbrauchsskandalen entstanden ist: Wer Christus nachfolgt (Priester / Ordensbruder oder  -schwester wird), kann nur schwer gestört sein – in seiner Persönlichkeitsentwicklung, seiner sozialen oder sexuellen Entwicklung. Das Fazit der Gesellschaft lautet also: Wer einen kirchlichen Beruf ergreift, kann eigentlich nur gestört sein. Ins Evangelium zurückgespiegelt würde das bedeuten: Gott / Jesus beruft nur Gestörte in seine Nachfolge. Und auf die Tradition der Kirche erweitert, hieße das: Die Heiligen der Kirche sind eigentlich nur ein Haufen Verrückte.

Da aber Christus in der Taufe aber alle beruft, nicht nur die kirchlich Bediensteten, kann die Konsequenz – sollte man so denken wie gerade beschrieben – nur sein: Dem Ruf Jesu nicht zu trauen, dem Ruf nur halbherzig zu folgen oder ihn zu verweigern. Denn wer ist schon so verrückt, sein Leben wegzuwerfen?

Ich denke, dass ich nun genug die Problemlage umrissen habe, die im heutigen Evangelium und im Thema „Berufung“ steckt. Das Schlimmste an all diesen Gedanken ist, dass sie es Jesus nicht zutrauen, dass er es gut mit uns, den Gerufenen, meint – dass seine Verheißung von Leben in Fülle nicht nur eine leere Floskel ist, sondern Gewissheit. Im Hintergrund dieses Misstrauens mag vielleicht sogar der Zweifel stehen, dass Jesus lebt und Herr seiner Kirche ist. Es ruft uns nicht die Ideologie eines toten Rabbis zur Nachfolge, sondern der Auferstandene selbst.

Aber ja – es bleibt auch wahr: Nachfolge Jesu ist und bleibt Kreuzesnachfolge. Aber Kreuzesnachfolge bedeutet nicht, sein Leben wegzuwerfen. Es bedeutet nur, sich vor dem Fehlschluss zu bewahren: Gott steht auf meiner Seite – also kann nichts mehr schief gehen – die gebratenen Tauben kommen einem in den Mund geflogen. Denn die Erwählung durch Gott mag uns zufallen, ist Geschenk, ist Gnade. Doch die Nachfolge stellt die Art und Weise dar, in dieser Erwählung zu bleiben. Nachfolge ist Anstrengung, manchmal sogar Kampf.

Nachfolge Jesu bedeutet vor allem, Christus zu lieben – in Gedanken, Worten und Werken.

Und wenn Christus zu lieben, bedeutet, sein Leben wegzuwerfen, dann muss das so sein. Und nur wer Christus liebt, wird die 4 Jünger aus dem Evangelium verstehen und nicht sagen: Wahnsinn – einfach alles stehen und liegen zu lassen.

Der heutige Sonntag lädt uns ein, uns Gedanken zu machen

– über unsere eigene Erwählung (unsere Taufe),

– über unsere Bereitschaft zu Nachfolge (unsere Bereitschaft, Christus zu lieben)

– über unser Denken bezüglich derer, die nach den evangelischen Räten (Keuschheit, Armut, Gehorsam) leben wollen und damit über unsere eigenen Wertvorstellungen und -hierarchien.

Jesus lebt! Er hat uns gerufen, ihm zu folgen. Wie wollen wir auf seinen Ruf antworten?

Dr. Vogler

Fürbitten

Zu Jesus Christus, der uns in seine Nachfolge gerufen hat, lasst uns beten:

Ruf: Herr, erhöre uns.

  • Für unseren Papst Franziskus und alle Hirten der Kirche: Um Treue zu dem Ruf, der an sie erging, und um Kraft in deiner Nachfolge.
  • Für die Kirche: Um Priester- und Ordensberufungen.
  • Für alle Getauften: Um ein vertieftes Bewusstsein ihrer Erwählung und ihrer Gotteskindschaft.
  • Für alle Menschen in Pflegeberufen: Um Kraft und Zuversicht in diesen Zeiten der Pandemie.
  • Für alle Eltern und Kinder in Zeiten des Lockdowns: Um deinen Beistand und Wege, einander zu helfen.
  • Für unsere Verstorbenen: Um die Aufnahme in dein Reich.

Herr Jesus Christus, du meinst es gut mit uns. Dafür danken wir Dir und preisen dich, jetzt und in Ewigkeit. AMEN.