5. Sonntag im Jahreskreis

5. Sonntag im Jahreskreis

Lesung aus dem Buch Ijob

Ijob ergriff das Wort und sprach: Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde? Sind nicht seine Tage die eines Tagelöhners? Wie ein Knecht ist er, der nach Schatten lechzt, wie ein Tagelöhner, der auf seinen Lohn wartet. So wurden Monde voll Enttäuschung mein Erbe und Nächte voller Mühsal teilte man mir zu. Lege ich mich nieder, sage ich: Wann darf ich aufstehn? Wird es Abend, bin ich gesättigt mit Unrast, bis es dämmert. Schneller als das Weberschiffchen eilen meine Tage, sie gehen zu Ende, ohne Hoffnung. Denk daran, dass mein Leben nur ein Hauch ist! Nie mehr schaut mein Auge Glück.

Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth.

Wenn ich das Evangelium verkünde, gebührt mir deswegen kein Ruhm; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde! Wäre es mein freier Entschluss, so erhielte ich Lohn. Wenn es mir aber nicht freisteht, so ist es ein Dienst, der mir anvertraut wurde. Was ist nun mein Lohn? Dass ich unentgeltlich verkünde und so das Evangelium bringe und keinen Gebrauch von meinem Anrecht aus dem Evangelium mache. Obwohl ich also von niemandem abhängig bin, habe ich mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben.

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Markus.

In jener Zeit ging Jesus zusammen mit Jakobus und Johannes in das Haus des Simon und Andreas. Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett. Sie sprachen sogleich mit Jesus über sie und er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr und sie diente ihnen. Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus. Und er verbot den Dämonen zu sagen, dass sie wussten, wer er war. In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten. Simon und seine Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. Er antwortete: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünde; denn dazu bin ich gekommen. Und er zog durch ganz Galiläa, verkündete in ihren Synagogen und trieb die Dämonen aus.

Ansprache

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn,

vor einem Jahr wären den meisten die Worte, die uns heute aus dem Buch Hiob präsentiert werden, wie die düstere Vision eines an Depression Erkrankten vorgekommen. „Enttäuschung“, „Mühsal“, „Kriegsdienst“ sind die Schlagworte, die mit dem Leben eines Menschen verbunden werden. Solch eine Wahrnehmung des eigenen Lebens war für die meisten weit weg. Natürlich wissen wir von Menschen am Ende der sozialen Leiter, die 3 Jobs brauchen, um wirtschaftlich zu überleben. Aber die wenigsten kannten so jemanden. Die Pandemie und der Lockdown haben das verändert. Die Wohlstandsgesellschaft hat durch die Pandemie einen Riss bekommen, der den Zugang zu den Worten Hiobs erleichtert, weil die Erfahrungen, die wir im Moment machen, uns zeigen, dass das Leben eben nicht immer nur schön, großartig und lebenswert ist.

Die andere Seite des Lebens tritt mehr in den Fokus – Krankheit, Verlust eines Menschen, wirtschaftliche Not, Vertreibung, Unrecht, Krieg, häusliche Gewalt, Depressionen usw.

Natürlich gilt es immer zu bedenken, dass das, was Hiob uns in seiner Rede präsentiert, immer nur ein Ausschnitt, eine eingeengte Perspektive des Lebens ist. Deshalb endet das Buch auch damit, dass am Ende Gott redet und einen Perspektivwechsel vorschlägt – weg von „Mir geht’s so dreckig“ hin zu „Staunenswert sind all deine Werke, o Herr“.

Wenn es nur so einfach wäre, dass man im Kopf einen Schalter umlegen könnte, und die Depression wäre verschwunden – qua Worten/Perspektivwechsel beendet!

Wenn es nur so einfach wäre, eine Krankheit loszuwerden wie bei der Schwiegermutter des Petrus! So einen Jesus zur Hand zu haben, wäre schon praktisch!

Aber Jesus flieht vor der Aufgabe, der praktische „Onkel Doktor“ von nebenan zu sein. Denn das Reich Gottes besteht aus mehr als „Gesund-Sein“. Wenn die Annahme des Reiches Gottes (die Aufnahme Jesu) jemanden gesund macht – seelisch und infolgedessen auch körperlich – umso besser. Wenn die Annahme des Reiches Gottes jedoch zu Schmerzen, Leid und schlussendlich ans Kreuz führt – auch gut. Der Gottesfürchtige wird das eine wie das andere aus der Hand Gottes annehmen.

So verhält es sich auch im Buch Hiob. Hiob nimmt alles an, was ihm widerfährt. Aber natürlich hadert er auch und beschwert sich bei Gott, dass ihn das Leid zu Unrecht getroffen hat.

Das Buch Hiob ist das erste Buch im Alten Testament, welches den Glauben auf die Probe stellt. Denn wenn es den Gottesfürchtigen nicht gut geht im Leben, sondern schlecht, wozu ist dann der Glaube gut? Sich den Regeln und Geboten Gottes zu unterwerden, ohne Profit dabei zu erzielen (Glück, Wohlstand, Gesundheit, ein langes Leben), welchen Sinn soll das haben?

Oder noch pointierter: Ein Gott, von dem ich nichts habe, wozu soll ich den verehren? Und noch einen Schritt weiter ins Evangelium zurück: Ein Gott (Jesus), der sich bewusst dem entzieht, ein „Wünsch dir was“ Automat zu sein, warum diesem Jesus folgen?

Zu Mose Zeiten, da war die Welt noch in Ordnung. Da teilten sich Meere und starben tausende Ägypter durch die Hand Gottes. Da hatte man noch etwas von seinem Glauben!

Heute haben wir Corona und keinen Gott, der das wegzaubert.

Kein Wunder, dass die Kirche ihren Glauben (das Reich Gottes) nicht mehr an den Mann/ an die Frau bringt.

Wie soll man die Situation Hiobs als „toll“ verkaufen, wenn er selbst sagt, sein Leben sei „Kriegsdienst, Mühsal und ohne Hoffnung“?

Und selbst wenn man darauf hinweisen würde, dass nichts so bleibt wie es ist, dass eine Wende (zum Besseren) kommen wird, dann ist dieser Hinweis trivial. Denn nichts bleibt so, wie es ist. Da muss Gott nicht zwingend seine Hände im Spiel haben – (ausgetrocknete Meere und gezielte Tötungen von Erstgeborenen erst einmal außen vorgelassen). Das menschliche Leben ist ein auf und ab. Wir tendieren außerdem dazu, uns nicht mit einem Verweilen in einem „Tal der Tränen“ zufrieden zu geben. Wir streben aktiv nach Veränderungen. „The pursuit of happiness“ – das Streben nach Glück nennt das die amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Dabei suggeriert sie, dass wir das Glück aus eigener Kraft – aufgrund eigener Leistung – auch erreichen können. Das bezeichnen die US-Amerikaner als den „amerikanischen Traum“: Aufgrund eigener Leistungen kann jede(r) alles werden.

Hiob freilich würde dazu sagen: Das ist nicht wahr! Denn nicht aufgrund von Faulheit oder Fehlern verliert er alles und sitzt in seinem eigenen Dreck. Und nicht aufgrund eigener Leistungen gewinnt er am Ende des Buches alles, was er verloren hat, hundertfach zurück.

Für ihn macht den Unterschied zwischen beiden Zuständen (Gosse und Palast) immer Gott aus. Die Wende vom Leid zum Glück – die Veränderung – geschieht für Hiob nach Gottes Willen.

Deshalb verkauft die Kirche Hiobs Leidsituation auch nicht als „toll“, sondern verweist auf die Wende, die ohne Gottes Hilfe nicht gelingen kann.

Wobei die Wahrheit bei dieser Wende wohl in der Mitte liegt – wir sind weder Gott mit unserem Schicksal völlig ausgeliefert (wie das Buch Hiob es suggeriert), noch sind wir komplett Baron Münchhausen, die uns aus eigener Kraft an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen können. Es wird Gottes Hilfe brauchen, aber auch unsere eigenen Anstrengungen, um vom Leid zum Glück eine Veränderung herbeizuführen.

Wichtig ist: Bis es zur Wende kommt, sind wir gefordert, Werkzeuge der Hoffnung zu sein – füreinander. Denn derjenige, der das Reich Gottes angenommen hat, ist selbst in der Situation eines Hiobs immer noch Hoffnungszeichen für andere, indem er oder sie deutlich machen: Gott ist da für uns!

Manches Leid, manche Beschwernisse verstehen wir nicht – genauso wenig wie Hiob einst. Doch die ersehnte Wende bringt Gott, der Heilige Geist, vor allem durch uns und unser Tun.

Ja, Werkzeug des Hl. Geistes zu sein, bedeutet nicht, gesund zu sein oder wohlhabend, oder ein langes Leben zu haben. Es bedeutet nur, überzeugt zu sein, dass Gott da ist, und ein Ziel für das eigene Leben zu haben – die Gemeinschaft mit Gott. Aber Gemeinschaft eben nicht, um teilzuhaben an seiner Allmacht – damit sich vor uns Meere teilen, sondern Gemeinschaft, um teilzuhaben am Leben Gottes – am Leben in Fülle.

„Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben.“ Der entscheidende Perspektivwechsel, den Gott von Hiob forderte, geschah im Kreuz Jesu. „Kriegsdienst, Mühsal, Enttäuschung“ – „all das überwindet der Jünger Jesu durch den, der uns geliebt hat.“ (frei nach Röm 8)

Hiob mag vielleicht dazu sagen: Etwas Substanielleres wäre mir lieber. Ein Christ würde darauf antworten: Eine nachhaltigere Wende als das Kreuz Christi wird es nicht geben.

Durch das Kreuz Christi wird das Leid nicht uminterpretiert, es wird nicht verharmlost. Es wird nur festgestellt: Wir können es annehmen. Denn es ist bereits überwunden durch Jesu Tod und Auferstehung. Die Wende ist bereits geschehen, die Dämonen vertrieben durch unsere Gemeinschaft mit Christus Jesus. AMEN.

Dr. Vogler

Fürbitten

Gott, unser Vater, du hast uns Jesus, deinen Sohn, geschenkt als Licht und Heil für unser Leben. Durch ihn bitten wir dich:

Ruf: Wir bitten dich, erhöre uns.

1. Um Wachstum in unserem Glauben und Vertrauen in deine Nähe.

2. Um offene Augen für die Nöte der Menschen und ein liebendes Herz, das freudig notwendige Hilfe gewährt.

3. Um Erfolg bitten wir für alle, die von Jesus Zeugnis geben.

4. Stehe allen bei, die um des Glaubens willen verfolgt oder misshandelt werden.

5. Für alle, die sich in der gegenwärtigen Krise mühen, Hoffnung für andere zu sein.

6. Nimm die Verstorbenen auf in die Gemeinschaft mit dir.

P: Gott, unser Vater, du hast die gefallene Welt erlöst in Jesus Christus. Steh uns bei in unseren Nöten, bis wir dereinst zu dir gelangen. Darum bitten wir durch ihn, Christus, unseren Herrn. Amen.